Ergänzungen

Es gibt immer wieder Begebenheiten in der Vergangenheit,
die in Vergessenheit geraten sind.


Gemeindediener
Lumpensammler
Scherenschleifer
Schlacht um Großsachsen

 

 

So machte mich dieser Tage Herr Michael Noethe darauf aufmerksam, dass ich die Gemeindediener, die Lumpensammler und die Scherenschleifer in meiner Homepage nicht erwähnt habe.
 
Die Gemeindediener waren fast immer mit dem Fahrrad unterwegs, hatten eine große Handschelle, ca. 30 cm mit Griff, mit der sie an den Straßenkreuzungen ungefähr zwei Minuten schellten, bis die Leute auf die Straße kamen oder aus dem Fenster schauten. Danach riefen sie mit lauter Stimme ihre Mitteilungen herunter, was sich dann etwa so anhörte:

„Am Montagmorgen, um 8 Uhr, sind im Zimmer 5 im Rathaus die Anträge zur Regulierung der Flurschäden, die durch die Besatzungsmacht entstanden, abzuholen.
Am Mittwoch findet abends um 20 Uhr eine Versammlung des Bauernverbandes im Weißen Lamm statt.
Um zahlreiches Erscheinen wird gebeten“ usw. usw.

Die Herren, die dieses Amt ausführten waren, ich versuche sie chronologisch aufzuzählen:

Valentin Bruder, Karl Röhrig, Peter Eich „Der Eiche Peter“, Wolfgang Metz „Der Metze Wolf“ und Otto Iselin „Der Schelle Ottel“.

Ich kann mich noch erinnern, dass die Herren mehrere Ämter ausübten. Sie waren zum Teil auch als Feld- und Waldschütz tätig und brachten amtliche Schreiben der Gemeindeverwaltung zu den Bürgern.

Noch gut in Erinnerung ist mir der Eiche Peter, der hauptsächlich als Feldschütz fungierte. Er hatte die Angewohnheit, wenn er uns Kinder Kirschen oder Pflaumen stibitzen sah, schon von weitem zu pfeifen, so dass wir uns immer rechtzeitig vom Acker machen konnten. Wenn ich das heute überlege, drängt sich mir der Eindruck auf, er wollte uns Kinder gar nicht erwischen.

Auch gut im Gedächtnis behalten habe ich Herrn Röhrig, der zum Teil auch als Waldschütz arbeitete. Er erwischte zwei Freunde und mich beim Forellenfischen im Tal in der Höhe wo der Apfelbach durch ein kleines Wehr geteilt wurde. Ein Teil des Wassers lief zur Bährs Mühle, Mühlgraben und Spitzers Mühle, der Rest des Wassers lief durch den Ort weiter. Genau an dieser Stelle hatte sich durch das etwa zwei Meter abfallende Wasser große Bunen gebildet. Da fand man immer fünf bis sechs Stück Pfünderforellen, die wir mit einem Einkaufsnetz oder mit der Hand fingen. Da plötzlich ein Pfiff! Mein Freund, der Gerle sagte: „Oh Gott, der Röhrig kommt.“ Flugs wurden die Forellen in die Hosentaschen gesteckt, was natürlich wegen der Größe nicht so ganz gelang. Die Forelle meines Freundes, erst kurz vor dem Pfiff gefangen, lebte natürlich noch und fing an, in seiner Hosentasche zu zappeln. Mein Freund, geistesgegenwärtig, hielt sich den Bauch, stöhnte und rannte in die Büsche. Herr Röhrig sagte: „Oh, der hat es aber eilig, dem hat ja schon die ganze Hose gewackelt.“ Er sah uns strafend an und sagte: „Stellt ja nichts an, und lasst euch nicht beim Forellenfangen erwischen.“ Ich sah noch, wie er auf sein Fahrrad stieg und wegfahrend sein Gesicht zu einem Grinsen verzog. Wir dachten, Gott sei Dank hat er uns nicht erwischt. Erst viel später wurde uns bewusst, er hatte sich über uns drei köstlich amüsiert.
 
Auch gehörte es zum Ortsbild, dass zwei- bis dreimal in der Woche der Lumpensammler durch den Ort fuhr und mit seiner Schelle und dem Ausruf: „Lumpen, Eisen, Flaschen und Papier!“, die Leute animierten, ihm ihre alten Lumpen und Alteisen abzuliefern. Man bekam dann für eine etwas größere Menge einige Tassen oder Teller oder auch Geldbeträge, aber Geld wollte niemand, da man für Geld sowieso nicht so viel kaufen konnte.
 
Ebenso in Erinnerung sind mir die Scherenschleifer, die auf ihren Fahrrädern Schleifsteine montiert hatten, so dass, wenn sie ihr Fahrrad auf einen Bock stellten und traten, die Schleifsteine dadurch antrieben. Man zahlte für das Schleifen einer Schere oder eines Messers 10 Pfennig und sie lieferten immer gute Arbeit ab, das muss man schon sagen. Meine Mutter sagte ab und zu: „Es wird Zeit, dass der Scherenschleifer wieder kommt, dass die Küchenmesser wieder geschliffen werden.“ Sie hatten im Ort hier immer genug zu tun.

 
Auch hat uns Wolfgang Fath darauf hingewiesen, dass das Bild der Schlacht um Großsachsen von uns falsch datiert war. Die Schlacht fand nicht um 1880 statt, sondern es handelt sich hier um die Kämpfe der Revolutionstruppen am 16. Juni 1849. Ich danke Wolfgang Fath für seine Aufmerksamkeit.